Obwohl ich mich für einen einigermaßen intelligenten Menschen halte, geht es vermutlich nicht nur mir so, dass ich einen ärtzlichen Befundbericht nicht aus dem Stand verstehe. Bei einer Krebsdiagnose ist das noch schwieriger, da für die Brustkrebs-Behandlung eine Klassifikation und Stadieneinteilung wichtig ist. Brustkrebs ist offensichtlich nicht gleich Brustkrebs. Die Merkmale eines Tumors werden in einer Art Steckbrief zusammengestellt. Irgendwo habe ich gelesen, die Klassifikation wäre die „Visitenkarte der Krebserkrankung“. Na dann, wenn das so ist, dann sollte ich wohl verstehen, was auf der Visitenkarte steht.
Was sind die wichtigsten Brust-Krebs Klassifikationen?
Die erste Charakterisierung der Tumorzellen wird am Gewebe der Biopsie vorgenommen. Die vollständige Charakterisierung erfolgt dann aus dem während der Operation gewonnenen Tumorgewebe. Die erste Unterscheidung ist der feingewebliche Typ. Ist der Krebs bereits in benachbartes Gewebe eingedrungen, spricht man von "invasiven Karzinomen", die den gesamten Organismus betrifft.
1. Erkenntnis: Krebs ist nicht wie ein Schnupfen. Ich bin ernsthaft krank und habe eine sogenannte systemische Krankheit.
Die verschiedenen invasiven Brustkrebs-Arten
Die meisten Brusttumore (78%) entstehen in den Milchgängen (duktaler Zelltyp). Dieser Tumor bildet offenbar relativ feste Knoten und ist daher in der Mammographie und im Ultraschall gut zu sehen und läßt sich auch gut tasten. Die restlichen 12% der Brusttumore entstehen in den Drüsenläppchen (lobulärer Zelltyp). Das gemeine an diesem Typ ist, dass sich die Krebszellen kaum von den gesunden Zellen unterscheiden. Daher können diese Karzinome oft nicht getastet werden und sind auch in der Mammographie nicht einfach zu erkennen.
2. Erkenntnis: Da ich ein invasiv lobuläres Karzinom habe, kann ich froh und dankbar sein, dass der Radiologe offenbar sehr erfahren war und die Veränderung auf dem Mammographie-Bild erkannt hat.
Für die Festlegung der Therapie sind aber noch einige weitere Faktoren wichtig, wie die Hormonempfindlichkeit, das Wachstumsverhalten, die Zellteilungsrate (Ki-67) und die Empfindlichkeit für Wachstumsfaktoren (HER2/neu) - keine leichte Kost für Nicht-Mediziner, aber wie ich gelernt habe, extrem wichtig, um zu verstehen, welche Therapie bei mir empfohlen wird. Aber eins nach dem anderen.
Die TNM Klassifizierung
Die TNM-Klassifizierung ist ein weltweit anerkannter Standard, um die Größe und die Ausbreitung des Tumors zu beschreiben. T steht dabei für die Größe des Primärtumors, N für die Anzahl der befallenen Lymphknoten, L für einen Einbruch in die Lymphgefäße und R für die eventuell zurückgebliebene Tumorzellen.
3. Erkenntnis: T1 N0 L0 R0 klingt nicht so schlecht, mein Tumor ist kleiner als 2 cm, die Lymphknoten sind nicht befallen und die OP hat den Tumor vollständig entfernt. Puuuhhh!
Die nächste Klassifizierung ist das Grading
Da Tumorzellen eigentlich entartete „normale“ Körperzellen sind, beschreibt das Grading den Grad Unterschiedlichkeit der Tumorzellen im Vergleich zum umliegenden gesunden Gewebe. Grading ist also ein Maß für den Grad der Bösartigkeit des Tumors. Je höher die Stufe, destso bösartiger. G1 bedeutet, dass die Tumorzellen den „gesunden“ Zellen noch relativ ähnlich sind und wenig aggressiv wachsen. G3 bedeutet, dass die Tumorzellen völlig entartet und aggresiv sind und stark wuchern.
4. Erkenntnis: Mein Tumor is als G2 klassifiziert, also dazwischen. Schlimm genug, aber es könnte auch noch schlimmer sein.
Die Bedeutung von Hormonrezeptoren
Dass Brustdrüsenzellen Rezeptoren für weiblichen Hormone Östrogen und Progesteron haben, wusste ich noch aus der Schwangerschaft. Brustkrebszellen haben oft dieselben Rezeptoren, was bedeutet, dass ihr Wachstum durch diese Hormone gefördert wird. Das gilt auch andersrum, denn bei hormonempfindlichen Tumoren lässt sich durch antihormonell wirksame Medikamente das Wachstum der Krebszellen unterdrücken. Der Hormonrezeptor-Status ist also ein wichtiger Prognosefaktor – je mehr hormonsensible Zellen der Tumor hat, desto günstiger ist der Krankheitsverlauf.
5. Erkenntnis: ER 80% (Östrogenrezeptor) und PR 20% (Progesteronrezeptor) bedeutet, dass ich für mindestend fünf Jahre eine (Anti-) Hormontherapie machen muss. Aber die Prognose ist dadurch günstiger, als wenn der Tumor nicht auf Hormone ansprechen würde.
Tumorzellen können HER2-Rezeptoren aufweisen
An den HER2-Rezeptoren können sich Wachstumsfaktoren andocken, die die Tumorzelle zur Teilung anregen. Mit anderen Worten, der Tumor wächst schneller. Werden die HER2 Rezeptoren nachgewiesen, ist die Therapie-Empfehlung eine andere, z.B. können durch eine Antikörper-Therapie die Rezeptoren blockiert werden.
6. Erkenntnis: HER2 negativ - bedeutet für mich keine Anti-HER2 Therapie..
Der letzte Faktor ist der Ki-67 Wert
Der letzte Faktor ist der Ki-67 Wert, ein Tumormarker, der die Rate der sich teilenden Zellen unter dem Mikroskop angibt. Ki-67 wird als Ergänzung zum Grading gesehen. Die Angaben was "hoch" ist, gehen ein bisschen auseinander, je nachdem, wo man nachliesst. Ist das Eiweiß Ki-67 in großen Mengen in den Krebszellen enthalten (mehr als 20 Prozent), so wachsen diese schnell. Liegt ein niedriger Ki-67 Wert vor (maximal 13 Prozent), so wachsen die Krebszellen langsamer. Je niedriger je besser.
7. Erkenntnis: Mein Wert von 10% klingt erst mal gut, allerdings ist "hoch" relativ und wird je nach Faktor unterschiedlich bewertet. Macht es nicht einfacher.
Individuelle Therapie statt Gießkannenprinzip
In den letzten Jahren hat sich einiges in der Krebstherapie getan. Ging es früher vor allem um das reine Überleben, so versucht man heute, die Therapie so individuell wie möglich zu gestalten. Gut zu wissen, dass Forscher überall auf der Welt untersuchen, inwieweit sich die Aggressivität einer Therapie senken lässt und dennoch dieselbe Wirksamkeit erzielt. Mittlerweile gibt es zusätzliche Analysen, um die Therapie weiter zu individualisieren. Das bedeutet zwar weitere Wochen Hoffen und Bangen, aber:
Meine wichtigste Erkenntnis: Wie gut, dass Chemotherapie nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip verordnet wird. Mir blieb zu meiner großen Erleichterung die Chemo erspart, weil sie keinen zusätzlichen, therapeutischen Nutzen hätte!